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Die Windmotoranlage auf dem Kreuzberg

Wie der Kreuzberg früher mit Strom versorgt wurde

Ein Bericht von Alfred Saam mit Aufzeichnungen von Dr. Otto Berge, Fulda

Der "Lieblingsberg" des Fuldaer Erfinders und Ingenieurs Ferdinand Schneider war der Kreuzberg, den er bereits bis zum Jahre 1920 über 75 mal bestiegen hatte. Der Aufstieg erfolgte zumeist von Gersfeld aus über die Schwedenschanze, selbstverständlich zu Fuß.

Die nachfolgenden Berichte über Schneiders Wirken auf dem Kreuzberg sind seiner Selbstbiographie entnommen und befassen sich mit der "Errichtung einer elektrischen Licht- und Kraftanlage" auf dem Klosterkreuzberg kurz nach dem 1. Weltkrieg. Auch die von Schneider erfundene und gestiftete elektrische Schlaguhr mit dem Vierklang "Trink noch eine Maß" erfreute viele Kreuzbergbesucher.

In die Zeit vor dem 1. Weltkrieg fällt die Episode mit Versuchen der drahtlosen Telegraphie, wobei Schneider unwissentlich gegen die Staatsgesetze verstieß und sich strafbar machte, denn er hatte nicht beachtet, dass der bayerische Staat innerhalb des damaligen Deutschen Reiches im Post und Telegraphenwesen sogenannte Reservatrechte besaß. Doch die Sache ging noch einmal glimpflich ab.

Gleich nach dem Kriegsende wurde Ferdinand Schneider vom damaligen Guardian Pater Oderich Röder auf den Kreuzberg bestellt zwecks Errichtung einer elektrischen Licht- und Kraftanlage.

(Pater Oderich Röder, in Landshut geboren, war am 23.08.1918 zum Kreuzberg gekommen und starb im Alter von 57 Jahren auf demselben. Von seinen 57 Lebensjahren verbrachte er 40 Jahre im Kloster bei den Franziskanern.)

Das Kloster Kreuzberg wurde sehr viel besucht von Wallfahrern und Rhöntouristen, die bei ihren Übernachtungen zuweilen mit der Kerzenbeleuchtung sehr unvorsichtig umgingen, so dass kleine Brandflecken hier und da bereits entdeckt worden waren. Guardian Röder konnte daher nicht mehr ruhig schlafen.

Man beschloss daher, eine kleine, bescheidene elektrische Lichtanlage errichten zu lassen, damit einer etwaigen Brandgefahr begegnet würde. Man wollte zunächst nur 50 kleine Glühlampen zu je 5 und 10 Kerzenstärke installieren, die vom Stammkloster in München genehmigt wurden.

Nach dem Krieg war es schwer, das Material für elektrische Anlagen zu beschaffen. Vieles musste erbettelt werden. Alte Schaltapparate stiftete Fichtel und Sachs in Schweinfurt, Dynamo und Riemen Direktor Kaiser der Mehlerwerke in Fulda. Den Benzinmotor erhielten sie von einem Holzsäger, das dazugehörige Fahrgestell konnte er behalten.

Die Akkumulatoren erhielten sie von der Deutschen Edison-Gesellschaft: 110 Elemente, weil Bleiakkumulatoren zu dieser Zeit überhaupt nicht zu beschaffen waren. Später erhielten sie durch Zufall eine am Holzberghof (Rhön) lagernde Bleiakkumulatorenbatterie, welche entbehrlich wurde, weil auf eine eigene Anlage verzichtet wurde. Volle sechs Monate arbeitete Schneider mit einigen seiner Leute und den Klosterbrüdern.

Metolf Kröppel, ein besonders begabter Klosterbruder, wurde zum Elektromonteur ausgebildet und später Betriebsführer der gesamten Anlage (Bruder Metolf war bereits im Jahre 1902 zum Kreuzberg gekommen und starb 63-jährig am 20.02.1942 ebenfalls auf dem Kreuzberg).

Aus der klein projektierten Anlage wurde schließlich eine recht ansehnliche Anlage, zumal Geld in Fülle durch den besonders starken Fremdenverkehr hereinkam. Guardian Röder war ein Baumann und als solcher großzügig, so dass sie sich einigten, nichts Halbes zu schaffen.

Die Kirche und sämtliche Klosterräume, Gast- und Fremdenzimmer, Stallungen, Brauerei nebst Bierkeller, Scheunen und Bodenräurne wurden mit ausreichenden Kerzenstärken elektrisch beleuchtet. Nach Fertigstellung der Anlagen wurde ein Richtfest gefeiert, zu welchem ein extra gutes Bier von Bruder Eliseus gebraut worden war und die Anwesenden allmählich in Feststimmung versetzte. Honoratioren, unter anderem der damalige Oberpräsident von Würzburg, gratulierten zur Anlage in biergewürzten Festreden.

Zu Dankreden war Guardian Röder verpflichtet, und als Ing. Schneider als Antoniusverehrer zusammen mit Guardian Röder ein stilles Dankgebet am Antoniusaltar verrichtete, wurden die beiden überrascht, weil Bruder Metolf plötzlich einige am Antoniusaltar heimlich montierte Lampen aufblitzen ließ.

Etwas später wurden auch das Gasthaus Braun und das Geschäfts- und Lagerhaus Hohn an die Lichtanlage angeschlossen. Der Benzinmotor war wahrscheinlich doch sehr störungsanfällig und im Kraftstoffverbrauch auch mit großem Kostenaufwand verbunden, so dass Ingenieur Ferdinand Schneider am Kreuzberg wieder in Aktion trat.

Noch vor dem Tod des Guardian Röder am 22.Nov.1921, baute er auf der Höhe und ca. 200 m rechts von der Kreuzigungsgruppe ein Windrad mit einem kleinen Gebäude, in dem der Generator untergebracht wurde.

Mit ihm wurde der zu dieser Zeit gebräuchliche Gleichstrom erzeugt, denn damit konnte man in den Nachtstunden, in denen kein Stromverbrauch stattfand, die Akkumulatoren, die in einem Raum im Klostergebäude untergebracht waren, aufladen. Tagsüber hatte man somit eine größere Stromkapazität zur Verfügung.

Diese Anlage war so robust, dass sie trotz der Vereisungen im Winter und der Stürme, die am Kreuzberg herrschen, den 2. Weltkrieg überstand und erst 1947 abgebaut wurde.

Frühere Besucher des Kreuzbergs wissen heute noch zu berichten, wie das Windrad gescheppert hat, so dass man es am ganzen Berg hörte.

Noch vor der Währungsreform, im Jahre 1947, konnte der damalige Guardian, Pater Oskar Sauer vom Kreuzberg von einer Elektrofirma aus Bad Neustadt auf dem schwarzen Markt für Naturalien ein Aluminiumkabel mit 16 qmm Adernquerschnitt erwerben.

Das Kabel war ca. 4 km lang und wurde von einer Schaltstation der Überlandwerk Unterfranken AG in Haselbach zum Kreuzberg verlegt, der gesamte Kabelgraben wurde von Hand ausgehoben. Ein Trupp von ca. 30 Männern aus Haselbach und Umgebung verrichtete diese schwere Arbeit. Ihr letzter Lohn wurde kurz nach der Währungsreform im April 1948 in DM ausgezahlt.

Da das Kabel für die gebräuchlichen 20.000 Volt zu schwach war, wurde speziell dafür ein 6.000 Volt Transformator aufgestellt, der das Kabel speiste.

Im April 1951 wurde auf dem Gipfel des Kreuzbergs vom Bayerischen Rundfunk die erste UKW-Sendeanlage in Betrieb genommen und Bayern 2 ausgestrahlt.

Da es keine andere Möglichkeit gab, musste man für den Rundfunksender ein Erdkabel zum Kloster verlegen und an das Aluminiumkabel anschließen. Im Falle einer Störung hatten das Kloster sowie der Sendebetrieb Notstromaggregate aufgestellt. Da das Erdkabel, weil Kriegsware, doch minderer Qualität, und außerdem ohne Sandbett verlegt war, traten immer wieder Störungen auf und es mussten so viele Verbindungsmuffen eingebaut werden, dass der Leiter der ÜWU-Bez. Stelle namens Otto Georg Schmitt zum damaligen Guardian Pater Waigel sagte: "Ihr Kabel sieht aus wie ein Rosenkranz".

Als der Stromverbrauch stetig zunahm, und das Aluminiumkabel immer stärker belastet wurde, nahmen die Störungen dementsprechend zu, so dass schließlich das Kloster Kreuzberg und der Bayerische Rundfunk gemeinsam im Jahre 1972 von der Überlandwerk Unterfranken AG ein neues 20.000 Volt Kabel von Haselbach zum Kreuzberg verlegen ließen.

An dieses Erdkabel konnten nun auch alle übrigen Bewohner des Kreuzbergs angeschlossen werden, die sich zuvor mit Gas oder mit eigener 24 Volt Stromerzeugung mittels eines Zweitaktmotors und Batterien behalfen. Da aber das Kabel zum Kreuzberg eine Stichleitung und im Falle einer Störung keine andere Einspeisung möglich war, wurden im Jahre 1981 von der Überlandwerk Unterfranken AG noch zwei weitere Erdkabel, eines von Oberwildflecken und das andere von einem Abzweig an der Straße Langenleiten-Wildflecken zum Kreuzberg verlegt.

Diese drei Hochspannungskabel sorgen weitgehend dafür, dass es am Kreuzberg zu keiner Stromunterbrechung kommt, was auch speziell für den Fernsehsender von großer Wichtigkeit ist.

Alfred Saam, Burkardroth-Zahlbach, August 1994
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors


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