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Hessische und fränkische Stadtmusikanten

von Prof. Gottfried Rehm

Türmer und Stadtmusikanten in Hersfeld und Schmalkalden

In Hessen bestand seit 1648 eine "Thurm- und Musikanten-Ordnung". Darin war festgelegt, dass der jeweilige "Stadtmusicus" mit seinen Gesellen und Lehrbuben gegen ein kleines jährliches Gehalt bei kirchlichen und städtischen Veranstaltungen musikalisch mitzuwirken habe. Dafür besaß er aber das alleinige Recht, bei Tanzveranstaltungen der betreffenden Stadt gegen Entgelt aufspielen zu durfen. Außerdem musste er nachts die Stunden blasen und vom Turm aus Feuerwache halten. Wenn andere oder "ausländische" (also nicht-hessische) Musikanten zum Tanze aufspielen wollten, hatten sie dem jeweiligen Stadtmusikus einen Taler als Abfindung zu zahlen. Der jeweilige Türmer und Stadtmusikant hatte bei seiner Anstellung einen Eid abzulegen, dass er treu und gewissenhaft seinen Pflichten nachkommen wolle.

Hersfeld

Der Amtseid des Türmers und Stadtmusikanten von Hersfeld hatte im Jahre 1628, als Hersfeld und Fulda für kurze Zeit von einem österreichischen Administrator verwaltet wurden, folgenden Wortlaut, wobei zu beachten ist, dass damals Krieg herrschte und auf die Wachaufgaben besonderer Wert gelegt werden musste: "Er soll geloben und schwören, das er dem hochwürdigsten Herrn Leopoldt Wilhelm, Ertzherzoge zu Österreich (...) undt administratorn des stiffts Fuld undt der Abbtey Hirsfeldt, desgleichen auch gemeiner stadt (Hersfeld) treuw und holdt sein undt sonderlich dasjenige thun undt befördern helfen, was einem getreuen diener eigenet und gepühret. Sonderlich aber soll er seine Wache so viel müglich selbst treulich versehen, dieselbe nicht an sein undichtig (untüchtig) gesindt laßen, tag und nacht auff feuergefahr acht habenn undt dieselbe uffn fall anzeigenn undt keine stunde muthwilligerweise verseumen. Des morgens früe umb 4 uhr, darnach zu acht uhr, da auch elff uhr, ingleichem zu 4 uhr undt wiederumb zu 8 uhren des abendts soll er auff den vier ecken des thurms ein gut (Musik-)stucklein, zwey zum wenigsten uff jeder ecken, mit seinem gesindt auff seinen instrumenten blasen, des tages uber auch die wach versehenn, sich stetig umbsehen, undt wan er reisige oder gutschen (Kutschen) vernimbt, dieselbige wieviel derselben seint, mit der trompeten anzeigen. Auf die sonntage soll ers gleichergestalt halten, undt wann die hauptpredigt vormittage geschicht, soll er anstadt der 8 uhren auch uf allen ecken blasen. Darnach soll er den abent umb 8 undt 9 uhr, desgleichen umb zehen, elff bis 12 uhr die wacht vleißig halten, under den stunden herausgehenn undt zusehen undt allzeit, wan es 8, 9, 10, 11, 12 schleget, mit der trompeten, wieviel es geschlagen, deutlich auff vier eckenn andeuten. Von 12 uhren bis uff 4 uhren mag er schlafen undt ruhen undt den morgen zu 4 uhren wiederumb seine wacht, wie oben gesetz, anfahen; undt so offt er seine stundt verstumet (versäumt), ein albis (kleines Geldstück) ihm an seiner bestallung laßen ankürtzenn, undt do er über feldt ziehen wurde, sich bey den regirenden burgermeister anzeigen undt gleichwohl den thurm bestellen". (Quelle: Staatsarchiv Marburg, Bestand 22 a, Hersfeld l.)

Schmalkalden

Im Jahre 1825 berichtete der "Stadtmusicus" Georg Friedrich Wilhelm aus Schmalkalden, das damals hessisch war, uber sich und seine Tätigkeit: "Im Jahre 1814 wurde ich dahier als Stadtmusicus angestellt. Als solcher beziehe ich einen jährlichen Gehalt von 20 guten Gulden und bin dagegen verpflichtet, fur Kirchen- und Thurmmusik zu sorgen. Da ich zu diesem Zweck stets Gesellen halten muss, so ist es naturlich, daß ich bei meinem geringen Gehalte nicht zu bestehen vermag, wenn ich nicht durch Musikaufwartungen bei Hochzeiten, Bällen und Kirmessen eine bedeutende Unterstutzung erhalte." Stadtmusikus Wilhelm behauptete in diesem Zusammenhang, er habe das alleinige Musikrecht nicht nur für die Stadt Schmalkalden, sondern auch für die Dörfer des "gesamten Kirchspiels". Wilhelm beantragte nun bei der Regierung, dass "ausländische" Musikanten, wenn sie zum Tanzspielen nach Schmalkalden geholt wurden, statt wie bisher einen Taler nun 2 Taler Abfindung zahlen sollten, da er, wenn er im "Ausland" auftrete, dort "wenigstens 2 Laubthaler" zahlen musse. "Gewiß ist es nicht unbillig", schrieb er, "daß gegen Ausländer hier das nämliche Recht in Anwendung gebracht wird." Die Regierung lehnte jedoch seinen Antrag ab. Darüber hinaus bestritt ihm die Regierung nach der Verordnung von 1739 sogar das Recht, im ganzen Kirchspiel vorrangig Tanzmusik gegen Entgelt spielen zu dürfen: Der ausschließliche Vorrang zur Tanzmusik stehe ihm nur in der Stadt Schmalkalden selbst zu.

Türmer und Stadtmusikanten in Franken

In den Akten des Staatsarchivs Marburg (112 b/297) erfahren wir einiges über die Vorrechte fränkischer Türmer beim Tanzmusik-Spielen im 18./19. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert hatten die Landesfürsten auf der Suche nach neuen Einnahmequellen das Recht des Tanzmusikspielens an Meistbietende verpachtet. Das führte zu heftigen Streitigkeiten mit den Türmern, die seit Jahrhunderten in vielen Orten das Tanzmusik-Monopol besaßen, also das alleinige Recht des Tanzmusikspielens, und die sich nun heftig gegen die Verpachtung der Musik an andere Musikanten wehrten. Eine Einigung in dieser Frage war schwierig. Man versuchte, den Türmern ihr Spielrecht (ohne Pachtgebühren) in einigen wenigen städtischen Wirtschaften zu belassen, es in anderen Lokalen dagegen von Staats wegen an andere Musikanten zu verpachten.

Bischofsheim
In den Akten lesen wir: "In Bischofsheim hat der Thurmer das ausschließliche Recht auf die öffentliche Musik in der Stadt und den beyden benachbarten Orthschaften Frankenheim und Haselbach, mit dem Vorgeben: es sey dieses sowohl jederzeit die Gewohnheit gewesen, als auch noch besonders bey seiner Anstellung vom Burgermeister und Rath zugesichert worden. Dieser Thurmer habe die öffentliche Musik in den ersten dreyen Pachtjahren (1788-91) in Bischofsheim allein genossen, in den Orthschaften Haselbach und Frankenheim aber sey solche (an andere Musikanten) verpachtet gewesen."

Fladungen
Der Türmer von Fladungen, heißt es in den Akten, hat "in der Stadt bloß das Recht, auf Hochzeiten aufzuspielen. Auf den Märkten, Kirchweihen und Faßnachtszeiten machten auch andere Musik zum Tanze, ohne daß sie sich mit ihm (geldlich) abfänden. Ebenso würde auch in den Filialortschaften Leubach, Rüdenschwinden und Brüchs zu vorbenannten Zeiten musiziert, ohne daß er von den Musikanten eine Vergütung erhalte. Die Einwohner dieser Ortschaften seyen nur gehalten, auf den Hochzeiten ihren Thürmer oder solche Musikanten zu nehmen, welche sich mit ihm (geldlich) abgefunden hätten, welches Recht auf langjährige Observanz (Beobachtung) beruhe."

Kissingen
Der Türmer und Stadtmusicus in Kissingen berichtete: Er habe "das ausschließliche Recht, bey bürgerlichen Lustbarkeiten in den Wirtshäusern, dann bey Hochzeiten, Kindszechen (Taufen) und dergleichen anderen offenen oder privaten Lustbarkeiten zu spielen, also daß er die Musik hierbey mit seinen Gesellen und Lehrjungen, dann mit den dortigen Stadtmusikanten, die in der Kirche auf dem Chore mit aushelfen, besetze. So aber zu gleicher Zeit Lustbarkeiten in mehreren Wirtshäusern Statt hätte, die er mit den Seinigen und mit den Chormusikanten nicht alle zugleich versehen könne, so dürften alsdann auch die übrigen Musikanten daselbst aufspielen; und wenn auch diese nicht hinkänglich wären, so komme die Reihe an die Filial- und Amtsmusikanten (im Amtsbezirk wohnende Musikanten) und zwar zu einiger Vergeltung für ihre Aufwartung in der dortigen Pfarrkirche; und wenn endlich auch diese nicht genug seyen, so dürften alsdann auch fremde Musikanten beygezogen werden. Dieses Recht sey nicht nur auf die Observanz (Beobachtung) in würzburgischen Landen gegründet, sondern die jeweiligen Stadt-Thürmer hätten auch ein gleiches Vorzugsrecht in auswärtigen Landen; welches er umso mehr behaupten könne, als er mehrere Jahre in fremden Landen gewandert habe, und unter anderem in bayrisch Neustadt über 5 Jahre lang bey dem dortigen Stadt-Thürmer gestanden sey, welche nicht nur bey allen Hochzeiten und anderen bürgerlichen Lustbarkeiten in allem den Vorzug sondern auch noch das besondere Recht gehabt habe, daß, wenn in mehreren Wirtshäusern aufgespielt werden sollte, ihm die Auswahl zugestanden sey. Er habe dafür die Verpflichtung, daß er bey den öffentlichen Prozessionen, Gottesdiensten, auch bürgerlichen Aufzügen jedes Mal mit noch einem Musikanten erscheinen, und stets einen Gesellen halten müsse."

Königshofen
Der Türmer von Königshofen "habe in der Stadt allein das Recht, die öffentliche Musik auszuüben, und es seyen vermöge mehrerer Rathsprotokolle die fremden Musikanten, jene des Amtes (im Amtsbezirk wohnhaften) sowohl als Ausländer, schuldig und gehalten, ihm jedes Mal 4 Batzen bar zu erlegen, wenn solche daselbst zu spielen verlangten und er alle Tanzplätze nicht allein bedienen könne. Zu diesem Ende kämen ihm eine unvordenkliche Observanz und Rathsbeschlüsse zustatten; dagegen ihm auch obliege, die Kirchenmusik unentgeltlich zu verrichten, die blasenden Instrumente auf eigene Kosten vorzuhalten, und ihre Aufsicht über aufkoinmende Feuer für die Stadt, nicht minder für die benachbarten Orte zu führen."

Mellrichstadt
Der Türmer in Mellrichstadt "sey von seinem Vorfahrer (Vorgänger) belehrt worden, daß ein jeder fremde Musikant, auch wann er gleich von den Amtsortschaften gewesen, sich jedes Mal mit ihm habe (geldlich) abfinden müsse, ehe und bevor er habe zum Tanzen aufspielen dürfen. Sein Vater, der viele Jahre Thürmer gewesen, sowohl als dessen Vorfahrer, habe dieses Vorrecht gleichfalls genossen, welches demnach durch Observanz (langjährige Beobachtung) bestätigt sey."

Münnerstadt
Der Türmer und Stadtmsicus in Münnerstadt "sey mit dem Bedinge angestellt worden, daß er alle Zeit einen Gesellen auf seinen Dienst halten und bey allen musikalischen Gottesdiensten aufgrund seiner gewöhnlichen Bestallung (Anstellung) in der Pfarrkirche (musikalisch) aufwarten, die Tag- und Nachtwache auf seinem Thurme getreulich verrichten solle. Nebst seiner gewöhnlichen Bestallung seyen ihm von jeder Partey (Kapelle) fremder Musikanten, so nebst ihm aufspielen wollte, zwey Batzen Fränkisch angewiesen worden, wie solche allen seinen Vorfahrern (Vorgängern) von unfürdenklichen Zeiten her angewiesen sey."

Neustadt (Bad Neustadt)
Von hier wird in den genannten Akten über das Vorrecht der Türmer folgendes berichtet: "Damit die öffentliche Musik in der Stadt zu Kirchweihzeit, auf Märkten, bey Hochzeiten und Jahrtägen von zünftigen Handwerkern (Musik-Fachleuten) durchgeführt werde, habe er (der Türmer) ein ausschließliches Recht in der Stadt selbst, in den Amtsortschaften aber nur zur Neujahrszeit."

© 1997 Symbol: E-Mail LinkG. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Symbol: Interner LinkProf. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.


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