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Winterfreuden in den 1950er Jahren in Burkardroth - hochdeutsche Version

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Illustration, um 1946

Im Winter, wenn es stark schneite, war das für uns Kinder eine Freude!

Daheim im Schlafzimmer waren die Fenster bis hinauf mit Eisblumen zugefroren. Das Eis konnte man mit den Fingernägeln abkratzen, oder man hauchte sich ein rundes Guckloch hinein. Die Misthaufen im Dorf wuchsen immer höher und der frische Mist dampfte noch mehr als sonst. Auf dem Clohäuschen hielt es keiner lange aus. Man musste einen Blecheimer mit heißem Wasser vom Wasserschiff mitnehmen, damit nicht alles zusammenfror.

In aller Frühe wurde schon der Schnee geräumt, die Nachbarin hat Asche auf den Weg gestreut und wir haben mit Viehsalz die Ladentreppe gesalzen, damit niemand zu Schaden käme und damit die Leute gut zur Kirche kamen und wohin sie eben sonst noch wollten.  Herüben und drüben standen richtige Schneemauern hoch, und als kleines Kind glaubte man, man ginge durch einen Schneetunnel. Noch jetzt meinen deshalb die Leute, es hätte damals, als sie Kinder waren, mehr Schnee als heute gegeben. 

Zur Scheune, zum Stall und zum Hoftor hin waren Wege getreten. Bei jedem Schritt hat es unter den Füßen geknatzt und geknirscht. Die Bauern arbeiteten ein wenig in ihrem Gehöft herum und hielten sich gern bei ihren Kühen im warmen Stall auf. Obacht musste man  geben mit den Holzschuhen. Mit ihnen konnte man leicht hinfallen, wenn man bei diesem Schnee eine Treppenstufe verpasste. Vom Scheunendach herunter hingen lange Eiszapfen und immer musste man damit rechnen, dass sie abbrechen könnten. Es war kalt, bitterkalt sogar. Aber kein Mensch sprach da von Chaos. Es war eben Winter!

Die Schlote rauchten, wenn früh bald eingeschürt wurde. Bach und Brunnentrog waren schon halb zugefroren. Das Wasser der vielen Dorfbrunnen lief wie an Eisfäden herunter, die immer dicker wurden. Am schönsten aber sah das Eis an der Holzmühle aus. Am Mühlrad und an allen Leitungen vom Mühlbach von der Gasse hinten her hingen wahre Eiskunstwerke. Die Buben wollten sie mit Schneebällen herunterwerfen, aber meistens hielt das Eis stand. Jedes Wassertröpfchen ist auf der Stelle hingefroren.

Auch die kleine Brücke war weiß und glatt und hielt man sich am Eisengeländer fest, blieben die nassen Handschuhe daran kleben. Und nass wurden die Wollhandschuhe schnell, etwa von den Schneebällen, vom Lecken an den Eiszapfen, wenn man Durst hatte, aber auch, wenn im Winter das Näschen lief und man „Glockenstränge hätte feilhalten können“. Was macht man da? Taschentücher brauchte man nur in der Schule, sonst nahm man seinen Ärmel oder auch seinen Handschuh und putzte nach der Methode „Ich glaube dir nicht und dir nicht“ nach rechts und links ab.

Beim kleinen Haus der Rosalie stand schon ein großer Schneemann mit einem alten Eimer auf dem Kopf und einer gelben Rübe als Nase. Unser Hund hat diesen weißen Mann nach seiner Art gleich zu seinem Territorium dazugenommen... danach war er nicht mehr ganz weiß.

Schon seit einigen Tagen blieb der Schnee liegen und unter dem Pappschnee war der Boden gefroren. Die kalte Temperatur hielt an und jeden Mittag war das schönste Wetter, Sonne und blauer Himmel.
Kaum dass die Schule aus war, waren wir Kinder nicht mehr zu halten. Unter das Kleid kam die blaue warme Trainingshose, dazu ein kleines Tuch oder eine Kappe auf den Kopf,  eine Strickjacke, Anorak, Fausthandschuhe, dicke Socken und Gummistiefel oder Lederstiefelchen oder auch Holzschuhe. Die Buben hatten Knickerbocker oder Manchesterhosen an und Stirnbänder auf, bei denen von einer Seite auf die andere und von vorne nach hinten   über den Kopf hinüber ein schmaler Streifen gestrickt war.

Rutschen konnte man auf den zugefrorenen Pfützen und auf den Rutschbahnen am Brunnepfad, auf dem Wollbacher See, aber auch wenigstens ein bisschen neben der Waage auf dem Marktplatz, wo die Jungen die Bahn mit Wasser noch glatter gemacht hatten und so mancher der Länge nach, vor- oder rückwärts hinfiel. Auf den größeren Flächen wurde nicht nur hin- und hergerutscht, dort spielten die jungen Burschen auch richtig Eishockey mit selbstgemachten Stöcken.

Wer Schlittschuhe hatte, war mit seinen Schlittschuhen da, die meisten mit ihren Holzschuhen und einige sogar strümpfig. Mit Schlitten und Schiern zogen wir Kinder dorthin, wo man gut abfahren konnte:
die Wollbacher vor zur „Löffelstadt“, den „Roten Rain“ hinunter, von der „Schaffertswiese“ auf „Guts Wiese“, das „Reußenhügelchen und den „Hoger“ hinunter und von allen Bergen hinten an der „Wollbach“. Die Zahlbacher hatten ihre Bahn hinten auf der Wiese, „Am Döllengraben“ und auch den Mühlberg herunter. Aber alle waren auch gern „Am Stützle“ in Burkardroth/ Zahlbach und die Skifahrer hinten am „Gerhardsbergwald“, hinten bei der „Aschach“ und am „Lanzenweg“.

Zuerst waren die Skier noch selbst gemacht oder von Ludwig Geis. Mit Lederriemen wurden sie auf die Schuhe gebunden. Später gab es Skier mit Eisenkanten und besserer Bindung, mit einem Seilzug, der vorne einzudrücken war, was aber ziemlich schwer ging. Dazu brauchte man auch extra Skistiefel. Immer einmal ging die Bindung auf und der Ski rutschte selbst den Berg hinab, aber auch in die Dornenhecke und da war nicht nur das Gesicht verkratzt, da ging auch hin und wieder ein Ski zu Bruch. Einige Bauern schimpften uns Kinder, wenn wir über ihre Wiese „hinunterbretterten“. Sie dachten vielleicht, das Gras bliebe umgetreten. Wir haben aber nur darüber gelacht und hinter ihrem Rücken Grimassen geschnitten.

Die Sprungschanze, die die Buben mit sehr viel Arbeit, manchmal sogar mit Holzkistchen gebaut hatten, ärgerte den Bauern  noch zusätzlich. Heute kann man das ja verstehen. Der festgeklopfte Schnee samt den Brettern lag immer noch dort, als es schon auf den Frühling zuging und niemand mehr an den Winter dachte.

Für die ganz Kleinen war das „Posthügelchen“ gerade gut genug. Aber  mehr Kinder zogen das Dorf hinauf, den Bach aufwärts, am „Krämer“ mit seinen Hausschuhen vorbei hin zum „Stützle“. (Der Name beutet vielleicht, dass man dorthinauf ein Fuhrwerk stützen musste.)

Das war nämlich ein ganz schön steiles Sträßchen mitten im Dorf, vom „Zahlbacher Schlag“ herunter, da gehörte es zu Zahlbach über die Aschach, das war die Grenze. Und nach dem Brücklein kam parallel zum Bach die Hauptstraße von Burkardroth. Niemand streute oder salzte das „Stützle“, da hier ja auch niemand mit einem Fahrzeug fahren musste. Nur unmittelbar bei den Häusern gab es einen schmalen gestreuten Pfad.

Die großen Jungen standen schon oben mit ihren schweren selbst gebauten Bobs. Wir Mädchen wären natürlich auch gerne mit einem solchen Bob gefahren, aber für Mädchen war das nichts. „Mädchen fürchten sich“, sagten sie. Wir haben uns aber nicht gefürchtet und konnten schadenfroh lachen, wenn eine ganze Gruppe, die nicht richtig lenken konnte und dabei stark herummanövrierte, mitten in den Bach fuhr.

Vor der kleinen Brücke und der Straße musste man nämlich nach links in einen Hof biegen. Von diesem Hof aus führte aber eine seichte Zufahrt in den Bach, wo die Leute ihre Kartoffeln waschen und eben ihr Wasser holen konnten. Wie gebadete Mäuse stiegen sie aus dem Bach, die Hosenbeine waren tropfnass und sogar aus den Stiefeln floss das Wasser heraus. Schuld waren freilich immer die anderen.

Winterfreuden um 1955

Unsere Schlittenbahn war nicht ganz unproblematisch, nicht nur wegen des Bachs, mehr noch wegen der Straße. Freilich konnte man nach links in den Hof fahren. Aber was macht man, wenn man zwar laut gerufen hatte „Aus der Bahn, der Schlitten läuft davon!“ und es stand immer noch eine solche „Tusnelda“ (hier: ungeschicktes Mädchen) im Weg und wusste nicht, ob sie herüber oder hinüber wolle. Da ging es einfach geradeaus weiter und rief einer: „Bleib stehen, das Milchauto kommt!“, (Das war neben dem Postauto eines der seltenen Fahrzeuge, die auch im Winter fuhren.) da bremste man mit den Absätzen so stark, dass der Schnee nur so hoch stob. Wem das nicht mehr gelang, musste sich herunterwerfen und seinen Schlitten sausen lassen. Nicht immer hat das so geklappt, da ist auch manchesmal ein Schlitten zerbrochen.

Wer nur so auf dem Schlitten saß, konnte ja beizeiten Vorsorge treffen. Aber die meisten gaben sich damit nicht zufrieden: „Liegend“ und „Göckerles“ waren viel schöner. Wer liegend fuhr, war wie eine Zielscheibe für Schneebälle. Bei „Göckerles“ wurde erst ausgemacht, wer schwerer war. Der musste sich auf dem Bauch auf den Schlitten legen und darauf kam so ein „Sperling“ (ein Fliegengewicht). Freilich wollte jeder einmal gerne obendrauf. Falls da das Lenken aber nicht klappte, trug er immer die Schuld.

Die Großen machten gerne Unsinn und lauter Dummheiten, wie z.B. sich rückwärts auf den Schlitten setzen, aber sie hatten ja wirklich mehr Mut als wir und sie waren stolz, wenn sie über die Hauptstraße hinüber bis hinten in den gegenüberliegenden Hof kamen. Wenn etwa gerade zwei Frauen das Dorf hinunterliefen und der Bob kam heruntergerauscht, da hätte man sie sehen können, wie sie ihre sieben Röcke zusammenrafften und einen Satz auf die Seite machten. „Dass ich das noch erleben muss, ihr elenden Verecker, könnt ihr nicht eure Augen aufreißen?!“

Bestimmt hatten sie es damals, als sie selbst noch jung waren, genauso gemacht und vielleicht auch wie wir, zwei, drei, vier oder fünf Schlitten zusammengebunden. Wer vorausfuhr, musste lenken. Es schwänzelte hinüber und herüber und immer musste man damit rechnen herunterzufallen. Ein ganz Mutiger hockte sich mit den hölzernen Schuhen nieder auf den Boden  und fuhr nach Hasenart hinunter. Gefährlich konnte es auch werden, wenn der Schlitten, der hinter einem kam, schneller als der eigene war.

Drüben auf der Wiese, wo hohe Schneewehen waren, wälzten sich ein paar Kinder im Schnee und schlugen den Hügel hinunter sogar Purzelbäume. Kleine Mädchen legten sich in den weichen Schnee und machten Engelchen. Dabei schlugen sie mit ihren ausgestreckten Armen einen Kreis, dass es wie Flügelchen aussah. Nun hingen an den Hosenbeinen di Eiskügelchen und die Handschuhe waren patschnass.

Meistens blieb alles friedlich. Wenn aber einer einem anderen einen Schneeball hinten ins Genick tat oder er „seifte“ ihn mit Schnee ein, waren die Kerle nicht mehr zu halten. Mit hochroten Köpfen gingen die beiden  Erzürnten aufeinander los, nahmen sich mitsamt ihren dicken Kleidern in den „Schwitzkasten“ (Kopf unter den Arm des Gegners) und keilten sich bis einer der Starrsinnigen unten liegen blieb. Die anderen standen außen herum und riefen: „Auf ihn! Auf ihn!“ Inzwischen hatten wir aber mehr Platz auf der Bahn!

Nun waren wir schon ganz oft den Berg hinaufgekeucht und heruntergesaust. Die Sonne war auch schon vor einiger Zeit hinter dem „Waldfensterer Wald“ untergegangen und es wurde schon dämmrig. Kälte und Nebel kamen vom Bach heraufgekrochen und auf einmal merkten wir Mädchen, dass unsere Rocksäume ganz steif gefroren waren wie gestärkt. Die Finger waren klamm und bitzelten, die Strümpfe ganz nass, die Nasenspitze war rot gefroren und die Backen brannten wie Feuer.

Müde und mit großem Hunger und Durst stapften wir mit unseren Schlitten das Dorf hinunter heim. Schnell noch mal am Brunnen am Eis geleckt! Zu Hause  in der Waschküche die nassen Sachen ausgezogen, in die Hausschuhe gekrochen und nichts wie hinein in die Wärme!!!

Das Gesicht in der Küche unter den Wasserhahn gehängt und die halbe Wasserleitung leer getrunken! Die Hände über dem Herd gerieben, die kalten Füße ins warme Ofenrohr gelegt und als Abendessen einen Teller mit heißen Milchbröckchen gegessen... was willst du mehr!?

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