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Rhöner Ritter auf dem Weg zur Selbständigkeit

von Prof. Gottfried Rehm

Die buchonischen Ritter hatten neben Eigengütern (ihrem Allodbesitz) auch Lehen von Fulda und Würzburg in Besitz, während die fränkischen und schwäbischen Ritter auf Reichslehen saßen. Die buchonischen Ritter versuchten dann im Laufe der Zeit, mehr Unabhängigkeit von ihrem Lehns- und Landesherren, dem Fürstabt von Fulda, zu erreichen.

1. Der Reichstag von 1495 und die Folgen

Auf dem Reichstag zu Worms im Jahre 1495 wurden Beschlüsse gefasst, die für die Ritterschaft von großer Bedeutung waren: Das Fehdewesen, also die bisherige kriegerische Selbsjustiz der Ritter bei Streitigkeiten, wurde verboten und der "Ewige Landfriede" verkündet. Ein Reichskammergericht sollte von nun an alle Streitigkeiten schlichten. Zur Finanzierung dieses neuen Gerichts wurde eine Reichssteuer, der "Gemeine Pfennig", eingeführt (von 1000 Gulden Vermögen war 1 Gulden Steuer zu zahlen). Auch die Ritter sollten zu dieser Steuer herangezogen werden. Bisher hatten sie jedoch Steuerfreiheit genossen, dafür waren sie aber zum Kriegsdienst für die Fürsten verpflichtet. Da die Ritterschaft nicht auf den Reichstagen vertreten war, musste mit ihnen gesondert verhandelt werden. Zu Verhandlungen mit den fränkischen und fuldischen Rittern wurden die Bischöfe von Würzburg und Bamberg und der Markgraf von Brandenburg beauftragt, die dann die Ritter für den 14. Dezember 1495 nach Schweinfurt einluden, darunter die Adligen von Bibra, Bastheim, Ebersberg-Weyhers, Hutten, Ostheim, Schneeberg, Steinau, Tann, Thüngen, Veit von Salzburg u.a. Bei diesen Beratungen bestanden die Ritter jedoch darauf, nicht zur Steuer veranlagt zu werden, sondern dass sie wie bisher "wie ihre Voreltern zu des Reiches Diensten" heranzuziehen seien. Das wurde ihnen auch zugesagt. Die fränkischen Ritter organisierten sich bei dieser Schweinfurter Tagung in sechs Bezirke ("Kantone"):

  1. Odenwald mit Kocher und Jagst,
  2. Saale, Rhön und Werra,
  3. Steigerwald,
  4. Baunach,
  5. Altmühl und
  6. Gebirg (Fichtelgebirge) und Vogtland.

2. Erste Erfolge der Ritter

Die Adligen besaßen über ihre Untertanen die "niedere Gerichtsbarkeit" und Frondienst-Rechte. Im Laufe des 16. Jahrhunderts erkämpften sie sich, ebenso wie die anderen fuldischen Landstände (die Städte und das Stiftskapitel), nach und nach mehr Rechte, z.B. wurde die richterliche Gewalt des Fürstabts über die Ritter eingeschränkt durch die Einrichtung eines von Stift und Ritterschaft besetzten Schiedsgerichts (Austragsgerichts). Auf dem Reichstag von Augsburg 1555 wurde der fränkischen Ritterschaft (auf Betreiben des sächsischen Gesandten Eberhard von der Tann) die "Religionshoheit" zuerkannt: Dadurch waren die Ritter der Jurisdiktion der Fürsten auch in Religionssachen entzogen, sie konnten die Religion ihrer Untertanen bestimmen und besaßen die Kirchenleitung, auch konnten sie über das Eigentum der ehemals katholischen Kirchengüter in ihren Gebieten verfügen. Auf den Landtagen in Fulda und Würzburg erschienen die buchonischen Ritter bald nicht mehr. Die Landesfürsten suchten jedoch den Adel in Abhängigkeit zu halten. So ging der Fuldaer Fürstabt Balthasar von Dermbach nach 1570 mit Gewalt gegen die Ritter vor, auch um sie und ihre Untertanen zu rekatholisieren. Die Ritter widersetzten sich vehement. Diese harten Auseinandersetzungen führten 1576 zur Absetzung des Fuldaer Fürstabts Balthasar durch die fuldischen Ritter und Kapitulare. 1588 luden die fränkischen Ritter jene fuldischen Ritter, die keine Zusammenarbeit mit Fulda mehr wollten, zu einem Meinungsaustausch ein, darunter die von der Tann, von Mansbach, von Berlepsch und Otto Heinrich von Ebersberg zu Gersfeld. Doch es kam zu keiner Annäherung an die fränkische Ritterschaft, da die fuldischen Ritter mit dem Administrator des Stifts Fulda inzwischen einen annehmbaren Vertrag hatten schließen können.

Nach der Wiedereinsetzung des Fuldaer Fürstabts Balthasar von Dermbach durch den Kaiser 1602 wurden alle Beteiligten an seiner Absetzung, vor allem die Ritter, vom Kaiser mit harten Geldstrafen belegt, die später allerdings ermäßigt wurden. Als Fürstabt Balthasar nach seiner Wiedereinsetzung jedoch von den fuldischen Rittern den Huldigungseid als Landesherr verlangte, regte sich erneut starker Widerstand. Bisher hatten nur die ritterlichen Untertanen diesen Eid auf den Landesherrn zu leisten, die Ritter selbst jedoch nicht. Ein großer Teil der fuldischen Ritter weigerte sich deshalb zu schwören. So spaltete sich die Ritterschaft in zwei Parteien: Während die einen den Anschluss an die reichsfreie fränkische Ritterschaft (Kanton Rhön und Werra) suchten und den Fürstabt nur noch als ihren Lehens-, nicht mehr jedoch als Landesherrn, anerkennen wollten, waren die anderen bereit, weiterhin den Fürstabt als ihrem Landesherrn anzuerkennen. Den gefordeten Eid leisteten nur einige Ritter von der Tann, von Buchenau, die Ritter von Mansbach, von Schlitz usw. Unter denen, die den Eid verweigerten, war auch Otto Heinrich von Ebersberg. Die Haltung des Abts blieb aber unversöhnlich. Das führte schließlich dazu, dass jene Gruppe mehr Zulauf bekam, die den Anschluss an den fränkischen Ritterkreis suchte. Sie verweigerte die Steuerleistungen an das Stift Fulda und entrichtete eine Zeitlang die Reichssteuern in die fränkische Ritterkasse. Erst als der Kaiser eingriff, hinterlegten diese Ritter die Steuern wieder in Fulda, jedoch in eine separate Truhe, die dem Einfluss des Abts entzogen war. Balthasars Nachfolger als Fürstabt, Johann Friedrich von Schwalbach, schloss 1607 mit den fuldischen Adligen einen Vergleich, der zwar die rechtliche Stellung der Ritterschaft als fuldischen Landstand festschrieb, ihnen aber die Kirchenrechte in ihren Gebieten zugestand, nämlich das "ius reformandi", also das Reformationsrecht und alle damit verbundenen Rechte.

3. Verworrene Lage im Dreißigjährigen Krieg

Der Fuldaer Fürstabt Johann Bernhard ging nach den anfänglichen Erfolgen der katholisch-kaiserlichen Truppen härter gegen die Ritterschaft vor: Er setzte 1623/24 die protestantischen Pfarrer in einigen Rittergebieten ab und wieder katholische Pfarrer ein, was ein Eingriff in das Reformationsrecht der Ritter darstellte und für sie den Verlust der geistlichen Gerichtsbarkeit bedeutete. (Näheres im Kapitel "Die Pfarreien Hettenhausen und Neukirchen 1624" im nächsten Abschnitt.) Außerdem versuchte der Fürstabt, durch Auferlegung von einschneidenden Kriegssteuern, die Ritter wieder zum alten Glauben zu zwingen. 1627 rang er der fuldischen Ritterschaft das Versprechen ab, sich an Abgaben an die katholischen Heere zu beteiligen. Das war der Grund, dass die buchischen Ritter immer mehr Kontakte zum reichsfreien fränkischen Ritterkreis suchten und nun auch ihre endgültige Unabhängigkeit vom Hochstift Fulda anstrebten, also die Reichsfreiheit, "nur Kaiser und Reich untertan". Auf einem Rittertag in Schlitz beschlossen sie, ihren Fall vor das Reichskammergericht zu bringen, und 1630 ließen sie auf dem Reichstag zu Regensburg auf ihre Unabhängigkeitsbestrebungen hinweisen.

Nachdem die Schweden das kaiserlich-katholische Heer besiegt hatten, besetzten die Hessen 1631 mit Hilfe der Schweden das Hochstift Fulda, und Landgraf Wilhelm V. von Kassel wurde als "Fürst in Buchen" Landesherr im Hochstift Fulda. Die Mönche flohen, und Abt Johann Bernhard schloss sich mit seiner Truppe dem kaiserlichen Heer an. Er kam jedoch 1632 in der Schlacht bei Lützen ums Leben. Die Hessen beschlagnahmten in Fulda alles, was "nicht niet- und nagelfest" war, u.a. räumten sie die Stiftskirche völlig aus. Die buchische Ritterschaft konnte sich nun dem Kanton Rhön und Werra des Fränkischen Ritterkreises als "Buchisches Quartier" anschließen. Dieser Beschluss wurde auf einem Ritterkonvent zu Fulda im Oktober 1631 gefasst. Bei den Verhandlungen zwischen den Schweden, den Reichsrittern und den evangelischen Reichsständen in Heilbronn wurde 1633 dann die Reichsunmittelbarkeit der buchonischen Ritter bestätigt. Aber es mussten von ihnen nun hohe Kriegskontribution für die Schweden gezahlt werden, z.B. von den Ebersbergern monatlich 20 Reichsthaler, von den Herren von Schlitz 40 und von den Buchenauern 14 Thaler. Doch nun versuchte Landgraf Wilhelm, die buchischen Ritter wieder an Fulda - und somit an Hessen - zu ketten, wie die hessischen (Kasseler) Ritter, die nicht reichsfrei sondern landsässig waren, also Vasallen des hessischen Landgrafen - und das sollten nun auch die fuldischen Ritter werden. Die Buchischen ließen sich aber darauf nicht ein und widersetzten sich heftig. Die hessische Herrschaft über Fulda dauerte aber nur zwei Jahre. 1634 konnten kaiserliche Truppen das Hochstift Fulda den Hessen wieder entreißen, und Abt Johann Adolf von Hoheneck, der sich bis dahin in Köln aufgehalten hatte, konnte nach Fulda zurückkehren. In den letzten Kriegsjahren besetzten abwechselnd katholische und evangelische Heere das Stift Fulda. So war auch die Ritterschaft gezwungen, weiterhin hohe Kriegskontributionen an die jeweilige Besatzungsmacht zu zahlen.

Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges bestand der Fuldaer Fürstabt darauf, von den buchonischen Rittern wieder als Landesherr anerkannt zu werden. Das führte zu mehreren Prozessen und langwierigen Verhandlungen, so auch 1648 in Münster bei den Friedensverhandlungen, dann vor dem Reichshofrat und dem Reichskammergericht. Der Prozess wurde jahrelang verschleppt, was für beide Seiten hohe Kosten verursachte. Auch eine kaiserliche Kommission blieb in dieser Sache ohne Ergebnis. Auf dem Ritterkonvent 1653 in Tann, auf dem u.a. Lukas und Wilhelm Rudolph von Ebersberg teilnahmen, führten mehrere Anwesende Klage darüber, dass fuldische Beamte die Ritter und ihre Untertanen massiv durch Überfälle, Plünderungen, Arreste, Pfändungen, Verfolgungen und Beleidigungen bedrängt hatten. Die reichsrechtlich ungeklärte Stellung der buchonischen Ritter ermutigte den Fuldaer Fürstabt Joachim von Gravenegg sogar, weitere Schritte zu unternehmen, um seine Hoheitsrechte auf deren Gebieten wieder durchzusetzen. So beauftragte er seine Beamten, im Tanner Gebiet eine Militär-Musterung durchzuführen. Als sich Friedrich von der Tann dem widersetzte, ließ der Abt durch eine bewaffnete Mannschaft einige Tannische Untertanen gefangen nehmen. Der Reichshofrat verurteilte zwar diese Tat, auch auf dem Reichstag zu Regensburg kam diese Sache zur Sprache. Der Kaiser selbst erließ daraufhin ein Mandat an den Abt, seine Truppen aus dem Tanner Gebiet abzuziehen und die Gefangenen freizulassen - der Abt jedoch kümmerte sich nicht darum. Daraufhin drang eine Rittergruppe in fuldisches Gebiet ein und machte Gefangene, um die Freilassung der vom Abt Inhaftierten zu erzwingen, wogegen der Abt vergeblich Klage erhob. Beide Seiten versuchten nun, den Prozess beim Reichskammergericht voranzutreiben, um baldmöglich eine gerichtliche Klärung zu erreichen.

4. Bestätigung der Reichsfreiheit

Dem Fürstabt war inzwischen klargeworden, dass sich durch seine Eingriffe seine Position verschlechtert hatte. Als dann eine neue kaiserliche Kommision wieder zu keinem Ergebnis kam, war der Abt endlich zum Einlenken und zu einer friedlichen Lösung bereit. Dem Kurfürsten von Mainz, Johann Philipp von Schönborn, gelang es schließlich, einen Vergleich zwischen dem Abt und der Fuldaer Ritterschaft zu erreichen. Die Bevollmächtigten der buchonischen Ritterschaft waren Friedrich von der Tann und Johann Volpert von Schlitz genannt von Görtz, der Ritterhauptmann von Rhön-Werra und Direktor des fränkischen Ritterkreises. Sie waren von 20 buchonischen adeligen Familien aus 10 Geschlechtern zu Verhandlungen ermächtigt worden. Diese Ritterfamilien waren: von Boyneburg, von Buchenau, von Dernbach, von Ebersberg genannt von Weyhers, von Ilten, von Lauter, von Mansbach, von Schlitz genannt von Görtz, von der Tann und von Wildungen. Am 15. Mai 1656 wurde in Würzburg folgender Vertrag unterzeichnet:

  • Die Reichsfreiheit der fuldischen Ritter und ihr Anschluss an die Fränkische Ritterschaft als "Buchisches Quartier wird rechtlich bestätigt
  • Die fuldische Ritterschaft erkennt den Fürstabt nur noch als ihren Lehnsherrn (nicht mehr als Landesherrn) an
  • Die Ritterschaft führt die Steuergelder an den Ritterkanton ab, leistet aber einen jährlichen Beitrag zur Reichssteuer des Stifts Fulda von 2000 Gulden
  • Dem Fürstabt steht nur die Höhere Gerichtsbarkeit über die ritterlichen Untertanen zu (bei Mord, Raub, Brand und Notzucht)
  • Sämtliche Verfahren am Reichshofrat und Reichskammergericht in der Frage der Reichsunmittelbarkeit der Ritter werden aufgehoben.

Auf dem Ritterkonvent am 3. Juni 1656 in Tann begrüßten die buchischen Ritter diesen Vertrag, der dann durch Kaiser Leopold am 8. April 1659 bestätigt wurde. Somit war ein mehr als hundertjähriger Streit durch eine politische Lösung zum Abschluss gekommen: Die fuldischen Ritter waren selbständig geworden und nicht mehr Untertanen des Fürstabts von Fulda.

Die hessischen (Kasseler) Ritter dagegen mussten 1655 einen Vertrag mit Landgraf Wilhelm VI. abschließen, durch den sie in Hessen "landsässig" blieben, das heißt, sie unterstanden also weiterhin dem Landgrafen.

(Näheres bei Rüdiger Teuner: "Die Fuldische Ritterschaft 1510-1656", Frankfurt a.M. 1982.)

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Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Symbol: Interner LinkProf. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.


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