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1.1. Der alte Wegezug in der bisherigen Literatur

Ich will zunächst auf den Namen Ortesweg eingehen. Bis heute wird der alte Fernweg mit diesem Namen bezeichnet, obwohl schon Willi Görich 1956 darauf hinwies, dass nach Theodor Haas (Fulda) Ortesweg kein Eigenname sondern ein Gattungsname ist, der nichts anderes als Kammweg bedeutet. Trotzdem erscheint es mir sinnvoll, an dem Namen Ortesweg für den alten Weg festzuhalten, da er in der bisherigen Literatur diesen Namen trägt.

Nach Görich ist, nicht zuletzt aufgrund der Geländebeschaffenheit im Neuhöfer Forst anzunehmen, dass der "Ortesweg durch die Rhön" erst im Neuhöfer Forst begann. Die Hohe Straße, die von Frankfurt - Bergen durch den Vogelsberg zog, verzweigte sich hier in Antsanvia und Ortesweg.

Dies schließt jedoch nicht aus, dass auch der Streckenabschnitt durch die Rhön in ein frühzeitliches Fernstraßensystem eingebunden war. Durch die Veröffentlichungen von Görich und Hahn dürfte der Verlauf des als Ortesweg bezeichneten Fernweges aus der "Wedereiba in den Graffeldgau" von der Wetterau bis in den Bereich von Fulda hinreichend genau beschrieben sein. Umstritten, weil nicht genau erforscht, blieb bislang allerdings noch immer der Verlauf östlich der Fuldafurt bei Bronnzell durch die Rhön in das Grabfeld.

Hahn schreibt: "... der Ortesweg überschreitet bei Bronnzell die Fulda, geht über den Steinhauck die Berge der Rhön an, die Milseburg und erreicht schließlich das Grabfeld."

Nach Görich "... zielt (der Weg) entsprechend eindeutig in Richtung Schloß Fasanerie (Adolphseck); damit aber ist auf der Wasserscheide zwischen Fulda-Lütter und Haune die Verbindung über den Steinhauck mit dem leicht erschließbaren Straßenknoten beim "Grabenhöfchen" gegeben, der nur 2,5 km südlich der ragenden Milseburg ihre Festungsbedeutung erst begreiflich macht."

Mit ihren in den 50er Jahren gewonnenen und übereinstimmenden Erkenntnissen stehen Görich und Hahn im Widerspruch zu den weitaus älteren von Vonderau, der einen nördlicheren Verlauf zur Milseburg annahm. Der von Vonderau beschriebene Weg steht jedoch nicht im Einklang mit dem wichtigsten Grundsatz der hessischen Altstraßenforschung, wonach "... frühe Fernwege sich von Natur aus möglichst an die trockenen, licht bewaldeten oder gar heidigen Wasserscheiden hielten. Die späten Landstraßen entwickelten sich dagegen auf Ortsverbindungen, d.h. zu den wassergebundenen Siedlungen und insbesondere den Städten hin. Diesen Erkenntnissen aber ist die fuldische Straßenforschung, die das große Glück früher Überlieferung hat, bisher allzuoft und wenig folgerichtig untreu gewesen".

Gudrun Loewe schrieb 1958 über Merkmale vorzeitlicher Straßen:

.... durch alle Zeiten werden stets dieselben von der Natur vorgezeichneten Höhenwege entlang den Wasserscheiden benutzt, sei es vom fahrenden Händler mit Saumtier und Ochsenkarren, sei es von beuteheischenden Heerhaufen oder landsuchenden Bauern mit ihrer beweglichen Habe. Auch der Viehtrieb der einheimischen Weidebauern bevorzugt die bekannten, auf den Höhenrücken gar nicht zu verfehlenden, übersichtlichen Straßen. Als markante und allgemein bekannte Linien im Gelände werden Straßen schon früh vielfach zu Besitzgrenzen. Noch heute fallen sie weithin mit Flur- oder Gemarkungsgrenzen zusammen .... .... vorgeschichtliches Alter einer Straße erhellt weiterhin aus vorgeschichtlichen Anlagen (Grabhügeln und Burgwällen) an ihrem Verlauf und aus naturgegebener Linienführung. Geländebegehungen geben oft den Ausschlag, wo exakte Belege fehIen ....

.... was den heutigen Wanderer auf alten Straßen am stärksten beeindruckt: breite und tiefe Hohlwege, zahlreiche tiefe Wagenrinnen nebeneinander im Anstieg oder große Breite zwischen den Rainen, das alles sind Folgeerscheinungen nicht von besonders alter, sondern vielmehr von sehr häufiger Benutzung in jüngerer Zeit, von großer Verkehrsdichte in Mittelalter und Neuzeit. Auch Steilanstiege mit zehn oder mehr Prozent Steigung können erst seit dem Mittelalter mit Vorspann bewältigt werden.

Die uralten Straßen hingegen machen sich die gemäßigte Steigung auf der natürlichen Abdachung des Gebirges zunutze. Sie folgen intuitiv der Gunst des Geländes, ohne je die Hauptrichtung des Fernzieles außer Acht zu lassen, meiden feuchte Niederungen und Quertäler und halten sich vorzugsweise an Wasserscheiden oder geeignete Hanglagen. Derartig geschickt geführte "Naturstraßen" können fast das ganze Jahr hindurch gefahrlos benutzt werden.

Neben der Morphologie der Oberfläche beeinflußt auch die Geologie des Untergrundes die Wegführung: In unserer Landschaft bietet der reichhaltig mit Steinen durchsetzte Basaltverwitterungsboden den besten Fahrweg; Buntsandstein neigt stärker zur Ausbildung von Hohlwegen, und der steinfreie Löß ist bei Feuchtigkeit schlecht zu befahren und wird allzu leicht zu tiefen Hohlwegen ausgewaschen. Gleichfalls ungünstig zeigen sich die alluvialen Anschwemmungen der Talauen, die deshalb, wo ein Flußübergang notwendig ist, auf dem kürzesten Weg überquert werden.


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